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Camouflage-Hosen und der Syrien-Konflikt

In ihrer S.P.O.N.-Kolumne bei Spiegel-Online schreibt Silke Burmester über die neue Benetton-Kinderkollektion im Camouflage-Style. Modemacher bezeichnet die Autorin als Seismografen der Gesellschaft. Silke Burmester hat recht, wenn sie sagt, das, was uns politisch und sozial beschäftigt, spiegle sich in der Art unserer Kleidung wider. Allerdings hat sie einen Zusammenhang gesehen, der nach meiner Meinung nicht so ausgeprägt ist. DieKolumnistin sieht den Syrien-Konflikt als Inspirationsquelle für Military-Hosen im Zwergenformat. Der Style hat seine Vorbilder im Militär, das stimmt. Die Verherrlichung der Armee ist so alt wie der Krieg selbst. Im Kopf habe ich Schwarzweiß-Aufnahmen von Kindern, die vor dem Ersten Weltkrieg mit Holzgewehr posierten. Doch wird hier die Schlacht selbst verherrlicht? Ich glaube, dass eher unbewusst der Lifestyle des abenteuerlustigen Kämpfers imitiert wird, der sauber und siegreich aus seiner Schlacht zurückkehrt ohne je einen Schuss abgegeben zu haben. Mit Camouflage-Hosen werden sich die Kleinen wie eine neue Version des Mini-Rambos fühlen. Die sterbenden Kinder im Syrienkonflikt trugen keine Uniformen. Auf den Fotos waren Kitty-Shirts und Turnschuhe zu sehen – wie sie die Kinder hierzulande auf dem Spielplatz tragen. Dieser Umstand hat mich sehr berührt. Es sind nicht die Kleinkinder-Camouflage-Hosen, die mich an Syrien denken lassen. Wahrnehmung hat mit individueller Vorerfahrung zu tun. Und es soll tatsächlich noch Menschen geben, an denen das Weltgeschehen vorbei zieht, ohne sie zu tangieren. Für sie ist Camouflage vielleicht nur ein hübsches Muster für Kinderhosen. Mehr nicht.